Welches Klimaziel ist zweckmässig?

Das Zwei-Grad-Ziel zur Beschr?nkung der Erderw?rmung ist in der Klimapolitik und in der ?ffentlichkeit relativ gut etabliert. Dennoch arbeiten Wissenschaftler daran, dieses langfristige Schutzziel im Hinblick auf die UN-Klimakonferenz in Paris 2015 zu ¨¹berpr¨¹fen. Welches Ziel ist sinnvoll, um den Klimawandel einzud?mmen?

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Anfang Juni haben wir an den Klimaverhandlungen in Bonn die Resultate der zweij?hrigen Arbeit des Structured Expert Dialogue (SED [1] [2]) vorgestellt. Der SED ¨¹berpr¨¹ft das 2010 beschlossene Zwei-Grad-Ziel der internationalen Klimapolitik, das die globale mittlere Erw?rmung unter zwei Grad Celsius gegen¨¹ber vorindustriellem Klima halten will. Ich bin Co-Fazilitator dieses Dialogs ¨C zusammen mit meinem chinesischen Kollegen Zou Ji. Wir haben nun mit Hilfe von ¨¹ber 70 Experten aus der ganzen Welt das neueste Klimawissen zusammengetragen und in Form eines Schlussberichts f¨¹r die kommende historische Klimakonferenz im Dezember in Paris ver?ffentlicht [3]. Der SED hatte konkret die Fragen zu untersuchen, wo wir momentan eigentlich stehen, ob das langfristige Schutzziel von zwei Grad Celsius aufrechtzuerhalten sei, oder ob man es vielleicht auf 1.5 Grad Celsius versch?rfen sollte.

Ein kurzer Blick zur¨¹ck

Die internationale Staatengemeinschaft hat das Zwei-Grad-Ziel erstmals 2010 an der UN-Klimakonferenz in Canc¨²n anerkannt. Damals konnten sich die L?nder aber nur unter dem Vorbehalt einigen, dass dieses Schutzziel nicht auf ?ewig? festgelegt werde. Stattdessen wollte man dieses fortan kritisch hinterfragen. Genau dieser ?berpr¨¹fung dient nun der SED.

Vergr?sserte Ansicht: Der Structured Expert Dialogue (SED)
Der Structured Expert Dialogue (SED) an der letzten Klimakonferenz (COP20) anfangs Dezember 2014 in Lima, Peru. (Bild: Andreas Fischlin)

Urspr¨¹nglich hatte die EU das Schutzziel von zwei Grad Celsius schon Ende der 90er Jahre in die Verhandlungen eingebracht, also zu einem Zeitpunkt, als der Stand des Wissens ein anderer war. Damals untersch?tzte die Forschung die Risiken des Klimawandels [4]. Heute ist bekannt, dass schon bei einer Erw?rmung von 0.85 Grad Celsius gegen¨¹ber vorindustriellen Bedingungen an vielen Orten auf der Welt signifikante Auswirkungen auftreten, auch bei uns in der Schweiz (siehe meinen fr¨¹heren Blogbeitrag).

Eine Frage der Anpassungsf?higkeit

Deshalb m¨¹ssen wir Massnahmen treffen, um uns an den Klimawandel anzupassen . Diese sogenannte Adaptation findet bei uns schon seit langem und zum Teil gezielt statt. In ?rmeren L?ndern fehlen jedoch oft das Know-how und die Mittel dazu. Es erstaunt deshalb nicht, wenn die Entwicklungsl?nder wiederholt fordern, dass der Norden umfangreiche technologische und finanzielle Unterst¨¹tzung f¨¹r den S¨¹den beisteuern m¨¹sse. Nur so seien alle L?nder in der Lage, ihren Beitrag zum Klimaschutz zu leisten ¨C und sich zu selbst zu sch¨¹tzen. Solche Aspekte sind wichtig, wenn es darum geht, das Schutzziel und insbesondere den Fortschritt daraufhin zu beurteilen.

Wo stehen wir?

Ein Blick auf die momentanen Trends beim Treibhausgasausstoss zeigt: Wir sind im R¨¹ckstand. Ungef?hr die H?lfte des durch die Menschheit verursachten Ausstosses (seit 1750) erfolgte in den letzten 40 Jahren [5]. Die absoluten Emissionen wachsen seit 2000 um durchschnittlich 2.2 Prozent pro Jahr [6]. Und die Kohlenstoffintensit?t nimmt wieder zu (also die Menge an Treibhausgasen pro Einheit verbrauchter Endenergie). Das Temperaturmittel der letzten dreissig Jahre ist so hoch wie vermutlich nie zuvor in den letzten 1400 Jahren. Auch sonst sind wir noch weit weg vom anvisierten Ziel: Klimaschutz geschieht oft nur z?gerlich, w?hrend Anpassungsbem¨¹hungen vielerorts bestenfalls noch in den Kinderschuhen stecken. Die Antwort auf die eingangs aufgeworfene Frage nach dem Fortschritt im Hinblick auf das langfristige Schutzziel ist denn im SED auch klar ausgefallen: Die momentanen Trends stehen in merklichem Kontrast zu dem, was erforderlich w?re, um die globale Erw?rmung kosteneffizient und wie bislang vereinbart auf maximal zwei Grad Celsius zu begrenzen.

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Um die Schl¨¹sselrisiken oberhalb 2 Grad globaler mittlerer Erw?rmung (Panel A) zu vermeiden, ist ein begrenztes Kohlenstoffbudget einzuhalten, von dem noch maximal 275 Gt verbleiben (Panel B). Kosteneffizient ist das m?glich, falls 2050 die Emissionen global um 40 bis 70 Prozent gegen¨¹ber 2010 sinken (Panel C) und danach die CO2 Emissionen (2055-2070) und sp?ter (2080-2100) auch der Ausstoss aller ¨¹briger Treibhausgase netto auf Null gebracht wird (nach SED [3]).

Zwei Grad als Verteidigungslinie

In seinem Bericht kommt der SED zum Schluss, dass ein langfristiges globales Ziel auf der Basis einer oberen Temperaturgrenze immer noch geeignet ist f¨¹r seinen Zweck, n?mlich die Auswirkungen des Klimawandels einzud?mmen. Zus?tzliche Ziele, etwa bez¨¹glich Anstieg des Meeresspiegels oder Versauerung der Ozeane, seien nicht n?tig, weil das Temperatur-Ziel dies indirekt bereits abdecke.

Des Weiteren h?lt der SED fest, dass eine Beschr?nkung der Erderw?rmung auf zwei Grad keine Sicherheit garantiere ¨C im Gegenteil: ?rmere L?nder mit geringer Anpassungskapazit?t w?ren schon dann erheblichen Risiken ausgesetzt. Die Zwei-Grad-Grenze sollte als ?usserste Verteidigungslinie betrachtet werden, die man besser gar nicht erreichen sollte. Konkret empfiehlt der SED daher, das globales Schutzziel so tief wie m?glich festzusetzen ¨C mindestens aber vorl?ufig an den zwei Grad festzuhalten.

Wir brauchen eine Trendwende

Ob wir nun als langfristiges Schutzziel 2 oder 1.5 Grad Celsius anstreben, ist meiner Ansicht nach in der aktuellen Situation nicht die entscheidende Frage. Entscheidend ist, dass wir die bisherigen Trends erst einmal brechen. Denn es sind diese Trends, die im krassen Gegensatz zu dem stehen, was erforderlich ist, ungeachtet ob nun die Erw?rmung auf 3, 2 oder 1.5 Grad begrenzt werden soll. F¨¹r den politischen Prozess aber ist es enorm wichtig, ¨¹berhaupt ein Schutzziel zu haben ¨C und zu verstehen, dass wir den Treibhausgasausstoss in der zweiten Jahrhunderth?lfte ohnehin auf null senken m¨¹ssen. Im Hinblick auf die bevorstehende UN-Konferenz in Paris ist ein klares Schutzziel essentiell ¨C schliesslich sollen diesem alle L?nder, auch China und die USA, im Rahmen des anvisierten globalen Abkommens zustimmen.

Paris 2015 wird in vieler Hinsicht entscheidend sein. Die Konferenz sollte aber nicht an der Frage ?2 versus 1.5 Grad Celsius? scheitern, sondern die T¨¹re f¨¹r beide Schutzziele m?glichst weit offen lassen!

Weiterf¨¹hrende Informationen

[1] Der ?externe SeiteStructured Expert Dialog? ist f¨¹r den Input an bestem wissenschaftlichen Wissen zust?ndig und ist Teil des sog. Review 2013-2015 [2].

[2] Der ?externe Seite2013-2015 Review? ¨¹berpr¨¹ft die Angemessenheit des Schutzziels von z.B. maximaler globaler mittlerer Erw?rmung von 2¡ãC gegen¨¹ber vorindustriellen Verh?ltnissen in Anbetracht des ?externe SeiteZweckartikels der Klimakonvention?.

[3] SED: externe SeiteReport

[4] Fischlin, A., 2009. Ber¨¹cksichtigen wir in der Klimapolitik gen¨¹gend Sicherheitsmargen? GAIA, 18(3): 193-199. Link

[5] externe SeiteIPCC, 2014. Climate Change 2014: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. In: Core Writing Team, Pachauri, R. K. & Meyer, L. A. (eds.). Cambridge University Press: Cambridge, UK. 151. 

[6] externe SeiteIPCC, 2014. Summary for policymakers. In: Edenhofer, O., Pichs-Madruga, R., Sokona, Y., Farahani, E., Kadner, S., Seyboth, K., Adler, A., Baum, I., Brunner, S., Eickemeier, P., Kriemann, B., Savolainen, J., Schl?mer, S., von Stechow, C., Zwickel, T., & Minx, J. C. (eds.). Climate Change 2014: Mitigation of Climate Change. Contribution of Working Group III to the Fifth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change (externe SeiteIPCC). Cambridge University Press: Cambridge, UK and New York, NY, USA. xix-xx,1-30. 

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